Aloha liebe Leute!
Wahnsinn – ich habe es tatsächlich geschafft und den legendären IRONMAN Hawaii gefinisht. Ich habe das tatsächlich nicht so wirklich realisiert und wandele gelegentlich immer noch etwas apathisch grinsend durch die hawaiianische Hitze. Aber der Reihe nach:
Eine Woche vor dem Wettkampf war das Training abgeschlossen und Müßiggang angesagt. Das war nicht ganz einfach, habe ich doch immer so meine Probleme damit still zu sitzen. Hinzu kamen dann bei meiner letzten kurzen Trainingseinheit am Tag vor dem Wettkampf undefinierbare Muskelschmerzen in den Beinen. Leicht panisch kontaktierte ich meinen Coach und nervte meine Mitmenschen… Lampenfieber? Egal, ein bisschen den Elektrolytehaushalt aufgefüllt, musste reichen.
In der Nacht vor dem Wettkampf finde ich nicht wirklich Schlaf, gehe immer wieder den Wettkampf mit seinen langen Wegen im Kopf durch. Um vier klingelt dann der Wecker – endlich kann es losgehen. Schnell noch die letzten Trinkflaschen gefüllt, Toast verdrückt und dann ab zum Shuttle. Auf dem Weg bergab dorthin melden sich wieder schmerzhaft meine Muskeln, ich hätte heulen können. Souverän versichert man mir, nur die Aufregung. Also IPod auf die Ohren, im Auto in die Ecke verkrümelt, abgeschottet und an andere Dinge gedacht.
Am Pier angekommen werde ich schnell von der fließbandartigen Maschinerie vor einem Ironman-Start aufgesogen, kein Platz also mehr für zweifelnde Gedanken. Bodymarking, Transpondercheck, ab in die Wechselzone, Reifen aufpumpen, Flaschen ans Rad, Pre-Swim-Bag abgeben, ein letzter Dixie-Besuch und schon ist es 6:00. Schnell muss ich zum Treffpunkt flitzen um meine Familie ein letztes Mal vor diesem langen Tag zu herzen.
Um 6:30 stehe ich dann am Pier und sehe die Profis starten. Mein Herz fängt wie wild an zu pochen, so ergreifend finde ich das alles. Als eine der ersten gehe ich ins Wasser um mich ein wenig einzuschwimmen. Und das ist unglaublich schön. Die Sonne schimmert über das Wasser und es herrscht eine fast gespenstische Ruhe. Schnell füllt sich jedoch das Meer mit 1800 Athleten und die Anspannung macht sich langsam bemerkbar. Ich suche mir einen Platz ganz außen, um nicht gänzlich von den ganzen Super-Schwimmern über den Haufen geschwommen zu werden.
Und dann der Startschuss: Wow, denke ich, das ist ja entspannt hier, kann ich doch schnell meinen Rhythmus finden und mein Tempo schwimmen. Leider währt diese Freude nur kurz und ich erlebe dann ein wirklich anstrengendes, aufreibendes Schwimmen. Der Wellengang ist stärker als in den Tagen zuvor, was mich jedoch gar nicht wirklich stört. Vielmehr ist es das rücksichtslose Verhalten einiger Mitstreiter, das mich immer wieder aus dem Konzept wirft. Insbesondere kurz vorm Schwimmziel starten einige Athleten regelrechte Attacken, die vermuten lassen, die Schwimmzeiten werden besonders prämiert. Nichts desto Trotz war es ein tolles Erlebnis und ich habe mich ganz gut durch die prügelnden Massen geschlängelt. Nach insgesamt 1:13:30 kann ich schließlich aus dem Wasser klettern.
Umringt von zahlreichen, unglaublich engagierten und umsichtigen Helfern spüle ich das Salzwasser von meinem Körper. Flugs werde ich ins Wechselzelt geführt, mein Wechselbeutel ist in Windeseile ausgeleert und schnell bin ich von einer Helferin mit meinem Bike-Equipment ausgestattet. Einmal die Wechselzone umrundet, das Bike geschnappt und schon bin ich auf dem Kurs. Gleich zweimal innerhalb der ersten 10km erspähe ich meine Supporter und dann geht es ab auf den Highway. Steuerkünste braucht man hier nur an den Wendepunkten, ansonsten zieht sich die Strecke mehr oder weniger wellig-geradeaus durch die Lavafelder. Viele empfinden dies als monoton, ich mag diese karge Schroffheit.
Schnell ist mir klar, es wird ein wirklich heisser Tag werden. Der gefürchtete Wind jedoch erscheint mir anfangs ganz friedlich – Glück gehabt, denke ich! Und so pedaliere ich die ersten 70 km fröhlich dahin. Auch meine Muskelschmerzen sind wie weg geblasen. 20 km vor dem Wendepunkt in Hawi jedoch ändern sich die Windverhältnisse schlagartig und sogar bergauf spüre ich die starken Seitenwinde deutlich. Entgegenkommende Athleten – bereits auf ihrem Rückweg-Bergab-Part – hocken recht verkrampft auf ihren Bikes, die Aerobars fest umklammert. Einige Mädels kreischen regelrecht, wohl in Anbetracht dieser starken Seitenwinde. Etwas mulmig ist mir deshalb schon zumute, während ich die letzten 10 km bergauf bis zum Wendepunkt abspule. Bergab beherzige ich dann den Rat meines Coaches, trete ordentlich in die Pedale und bleibe im Aerolenker, um das Rad bei dem starken Seitenwind zu stabilisieren. So rase ich wieder gen Meeresspiegel und manchmal wird mir ganz Angst und Bange bei dem hohen Tempo. Insbesondere, da es mich zweimal mit einer Böe tatsächliche einige Meter über die Straße trägt. Aber ich komme heil unten an, fix und fertig und leicht verkrampft allerdings. Ich bin froh, in Kaiwahae meine Supporter zu sehen, denn mir schwant, die letzten 50 km werden wirklich hart werden und da tun finale Anfeuerungen noch einmal gut. Meine Vermutungen bestätigen sich tatsächlich. Denn der Wind ist heute leider wirklich nicht mein Freund, bläst er doch nun fröhlich von vorn. Aber ich kämpfe mich durch und bin froh nach 180 km und einem Bikesplit von 5:55:45 wieder auf meinen Füßen stehen zu können. Tatsächlich freute ich mich zu diesem Zeitpunkt noch auf den ausstehenden Marathon.
Der Service in der Wechselzone durch die vielen Helfer ist auch diesmal unglaublich. Sogar Sonnencreme bekomme ich auf Schultern, Arme und die Nase geschmiert. Gut präpariert also geht es auf die Laufstrecke. Die erste Schleife führt über den Alii Drive direkt an meinem Hotel vorbei, bevor es dann über einen doch recht heftigen und legendären Anstieg an der Palani-Road auf den Highway und als Krönung durch das sogenannte Energy Lab geht. Ich freue mich auf die erste Hälfte, kenne ich doch die Strecke und kann ich dort zweimal meine Supporter erspähen. Schon nach wenigen Kilometern jedoch wird mir klar, ich habe mich gehörig getäuscht. Auf dem Alii Drive steht die Hitze, die Luftfeuchtigkeit ist erdrückend. Meine Beine sind schwer und schon die ersten acht Kilometer bis zum Wendepunkt scheinen nicht enden zu wollen. Und nach dem Wendepunkt, mein Appartement vis-a-vis habe ich tatsächlich das erste Mal in meinem Leben an Aufgeben gedacht. Immer wieder spuken mir Gedanken wie „warum tue ich mir das an?“, „warum verschwende ich meine Energie für so einen Quatsch?“ durch den Kopf. Dann wieder dagegen: „ich will hier finishen, das ist mein Traum“, „meine Eltern sind extra aus Deutschland gekommen“, „viele meiner Freunde verfolgen zu Hause, was ich hier mache“, also, Aufgeben ist nicht wirklich eine Option. Oder doch? Das ganze Prozedere erscheint mir zu dem Zeitpunkt total surreal, ich empfinde es als vollkommen absurd, dass so viele Menschen bei dieser Hitze am anderen Ende der Welt am Rande ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit ohne Sinn und Verstand durch die Gegend rennen. Und ich mitten drin. Und dann lausche ich in der Einsamkeit mit mir selbst den vielen Vögeln am Alii Drive und die machen den gleichen Lärm wie jeden Nachmittag, also doch alles ganz real denke ich. Und so schleppe ich mich weiter über die Strecke. Das wird ein langer Tag werden, denke ich.
Nach 16 Kilometern erreiche ich endlich den Anstieg an der Palani-Road. Endlich, da ich weiß, dort werde ich wieder meine Familie erblicken. Ich beschließe nun erstmals den Berg raufzugehen und meinen Supportern dabei ausgiebig mein Leid zu klagen. Und: das hilft!! Oben angekommen, merke ich tatsächlich, durch das Lamentieren habe ich wieder Energie bekommen. Ablenkung hilft. Kaum um die Ecke auf den Highway abgebogen rufe ich meiner Ma noch hinter her, „jetzt bringe ich das Ding auch zu Ende, auch wenn ich bis Mitternacht brauche“. Und so werden die ersten Kilometer auf dem Highway erstaunlicherweise eine wahre Freude. Ich behalte meine Strategie bei und gehe an jeder Verpflegungsstation ein gutes Stück. In Ruhe inhaliere ich meine Coke, übergieße mich mit Wasser, fülle mein Cap mit Eiswürfeln. Und so komme ich etappenweise ganz gut voran. Und nach ca. 5 km auf dem Highway erspähe ich erneut meine Sippe. Ein tolles, überraschendes Highlight. Am Wendepunkt im Energy Lab smile ich dann tatsächlich das erste Mal wieder Zuschauer und Helfer an und ernte dafür kraftspendenden Applaus. Ich realisiere außerdem, dass ich das erste Mal bei einem Ironman nicht auch noch durch zeitraubende, gruselige Dixiebesuche aufgrund von Magen/Darm-Irritationen geplagt werde – welch Freude!!
Und so beginne ich nun, ungefähr zehn Kilometer vor dem Ziel mich, wie wahnsinnig auf den Zieleinlauf zu freuen. Und der rückt immer näher. Ich plaudere mit einigen anderen Athleten und habe endlich wieder Spaß. Und so renne ich schließlich mit einem fetten Grinsen die Palani-Road hinunter, meine Family hat mich schon sehnsüchtig erwartet. Die letzte Meile bis zur Finishline bekomme ich das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht. Ich klatsche Leute an der Strecke ab, lasse andere an mir vorbeiziehen und versuche meinen ganz persönlichen Triumph so lange wie möglich zu genießen. Und als ich dann mit einer Marathonzeit von 4:02:45 nach 11:20:30 als Daylight-Finisherin (das war mein selbst gestecktes Tagesziel) über die Ziellinie laufe, das legendäre „You are an Ironman“ vernehme, mein Lei – das ist die hawaiianische Blumenkette – umgehängt bekomme bin ich wirklich total ergriffen. Wahnsinn, denke ich, ich habe geschafft, wovon ich als Triathletin lange nur zu träumen gewagt hatte, ich habe mein Ziel erreicht. Ich könnte platzen vor Glück!!
Ja, so war er mein Wettkampftag, hart und am Limit, aber – und das ist das absurde – er wird mir sicher immer in toller Erinnerung bleiben.
Ich bin wirklich unglaublich glücklich und dankbar dies alles erlebt haben zu dürfen. Es ist ein Traum, dass mein Körper und mein soziales Umfeld mir dies ermöglicht haben, denn für mich gibt es nichts schöneres, als meinen, diesen Traum zu leben.
Ich möchte mich auf diesem Wege auch noch einmal bei euch allen bedanken. Bei meinen Freunden für das Verständnis (sorry, dass ich manchmal etwas feierunfreudig und schläfrig war), euer Interesse an meinem Weg und die vielen guten Wünsche und Glückwünsche für Hawaii. Bei meiner Familie für den unglaublichen Support, insbesondere meinen Eltern, die mir sowohl in Frankfurt als auch in Hawaii durch ihre Unterstützung vor Ort unglaublich viel Kraft gegeben haben. Und bei meinem Coach, der mich seit Beginn meiner „Triathlonkarriere“ mit großartigem Engagement unterstützt und mit seinen durchdachten Trainingsplänen, zahlreichen Schwimmsessions und vielen Tipps einen großen Anteil an meinen Erfolgen hat.
Mahalo
Maike