Hawaii – Big Island – Kailua-Kona und der Countdown läuft. Die Weltmeisterschaft der Ausdauerdreikämpfer ruft, die Pilgerfahrt gen Hawaii ist in vollem Gange. Das Format en détail: 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer auf dem Rad, gekrönt mit einem Marathon. Am 13. Oktober ist es soweit, Vorhang auf für die Ironman World Championships.
Unübersehbar wandelt sich das kleine, idyllische Städtchen Kailua-Kona im Vorfeld dieses jährlichen Highlights zum Triathlon-Mekka. Souvenirläden werden umfunktioniert in Triathlonshops und Banner gebrandet mit diversen triathletischen Konsummöglichkeiten werden an Häuserfronten platziert. Die Preise – selbst für Artikel des täglichen Bedarfs – steigen in astronomische Höhen. Der Alii Drive, Konas Verkehrsader, wird von trainierenden oder flanierenden Triathleten zum Catwalk auserkoren.
Das tägliche Schaulaufen beginnt mit dem morgendlichen Schwimmtraining am Pier von Kona. Je näher der Wettkampftag rückt, desto größer ist das Gemensche, desto effekthaschender das Posing, desto amüsanter die Selbstinszenierung einiger Akteure. Da trifft man unter anderem auf ein frisch vermähltes Pärchen. Offenkundig ist sie, diese Tatsache, da in grellen Farben auf knappster Schwimmkluft tituliert. Und so schwenken unsere Protagonisten ihre liierten, austrainierten Hinterteile so lange am Pier neckisch hin und her, bis sie endlich von einer Linse der zahlreichen Kamerateams ins Visier genommen werden. Das anschließende Schwimmtraining gerät zur Nebensache.
Vom Pier aus in südlicher Richtung schlängelt sich der Alii Drive die Pazifikküste entlang. Auch wenige Tage vor dem Rennen herrscht hier noch Trainingshochbetrieb. Rennend, radelnd, rasend wird der Sportlerleib auf dem Catwalk präsentiert. Weniger trainingswütige Akteure schieben ihr geliebtes Gefährt spazieren oder nutzen die Chance, das spätere Wettkampfoutfit der Triathlongemeinde vorab flanierend zu präsentieren. Beste Sicht auf dieses permanente Spektakel bietet das Lava Java, ein Café in erster Reihe, Treffpunkt tatsächlicher sowie selbsternannter Ironman-VIPs. In diesem illustren Etablissement tragen sogar die sportlergerecht angepassten Speisen vorübergehend die Namen der potenziellen Sieger.
An kaum einem anderen Ort der Welt wird man eine derart massive Anhäufung von perfekt austrainierten, gebräunten Wesen antreffen. Modellathleten eben. Die Konkurrenz stets im Blick, kritisch beäugt, bleibt ein permanentes Hinterfragen der eigenen Performance nicht aus. Einige Partizipanten sind sich ihrer makellosen Leiber offenkundig bewusst. Andere zweifeln ohne Grund, das eigene Spiegelbild wird verzerrt wahrgenommen. Und nicht nur derjenige, dessen Körper tatsächlich ein paar letzte Fettreserven zeigt, gerät bei dem Anblick der Konkurrenz gelegentlich in einen Strudel von Selbstzweifeln.
Ein fataler Irrtum allerdings. Denn in ein paar Tagen wird sich zeigen, dass optische Perfektion und modernstes Equipment kein Garant für einen grandiosen Wettkampf sind. Und trotzdem, diese Flaniererei, diese phasenweise narzisstische Selbstinszenierung einiger Darsteller bewegt die Gemüter. Da fällt es selbst ausgebufften, erfahrenen Sportlern gelegentlich schwer selbstbewusst an die eigenen Fähigkeiten zu glauben.
Krönender Abschluss der triathletischen Fashion Week: der so titulierte Underpants Run. Der Berufene präsentiert sich der jolenden Menge – wie der Name sagt – in Unterwäsche, karnevallistisch, humoristisch oder real? Zumindest zwei Dinge werden bei dieser Show offenkundig: Triathleten sind Selbstdarsteller und Kinesiotape in sämtlichen Farbvarianten ist eine präferierte Bedeckungs-Alternative.
Genug des Vorgeplänkels, die hawaiianische Fashion Week neigt sich dem Ende, der Countdown bis zum Start läuft. In wenigen Tagen kommt es am anderen Ende der Welt zum großen Showdown der Triathlonszene. Da bleibt keine Zeit für Posing. Nein, es wird Ernst, Sportsfreunde!