Da strahlt und wärmt die Sonne zum ersten Mal an einem Sonntag Anfang April und dann so etwas: Verkehrsinfarkt! Ganz Hamburg tummelt sich auf Strassen, Radwegen, Waldwegen, Parkwegen, Zebrastreifen – samt Fortbewegungsmitteln jeglicher Couleur! Es wird geradelt (liegend, sitzend, stehend), gejoggt, gerannt, geschlendert, geschoben, gefahren, geskatet. Und ob der Tatsache extremst überfüllter Verkehrsadern bleiben da Tumulte nicht aus.
So wird durchaus gelacht, gegrüßt (insbesondere die eigene Spezies), gefreut – aber auch gehupt, geschimpft, gedrängelt, geärgert, manchmal sogar gehasst. Und der Grund allen Übels sind natürlich die jeweils anderes gearteten Fortbeweger. Bestimmte Kontrahenten zeigen sich dabei besonders streitlustig. Höchstes Konflikt-potenzial birgt offenkundig das Aufeinandertreffen motorisierter Vierräder und muskelkraft-betriebener Zweiräder. Oder aber zwischen schlendernden Wanderern und trainierenden Rennern, besonders heikel wenn Erste in Pulks, beim Supergau mit zusätzlichen geschobenen, platzfressenden Gefährten auf schmalen Wegen unterwegs sind.
Winterliches Radtraining auf leeren Straßen und Wegen haben mich diese Gefahr vergessen lassen und so mache ich mich hoch erfreut ob der tadellosen Wetterlage zur nachmittäglichen Hauptbewegungszeit auf den Weg gen Haseldorfer Marsch. Natürlich in der naiven Hoffnung mit diesem Hochgefühl einzigartig unterwegs zu sein. Bereits nach wenigen Metern wird der Schrecken offenkundig. Schon der Weg Richtung Elbe gleicht einem Spießrutenfahren. Alles strömt radelnd, rennend, rasend in Richtung dieser Naturader. Auf der Elbchaussee angekommen kanalisiert sich mein Ärger auf die motorisierten Verkehrsteilnehmer. Zäh und zähnefletschend bewege ich mich inmitten einer nicht enden wollenden Autoschlange Richtung Blankenese. Potenziert bis nahe an die Grenze eines wutähnlichen Zustands wird meine Missbilligung durch jene motorisierten Gefährte, die – mich von hinten kommend erspähend – den Abstand zum Bürgersteig akribisch minimieren. Durch diese Aktionen werde ich in meinem Balanceakt, die Autoschlangen rechts überholend, abrupt gestoppt. So fluche ich mehr oder weniger still vor mich hin und ärgere mich über meine weiteren Feinde: Die Ampeln. Natürlich sind auch die heute nicht mein Freunde, leuchten sie doch immer fröhlich rot, wenn ich heranschleiche. So sammele ich in drei Stunden imaginäre flensbürgerliche Punkte für mindestens fünf Jahre! Und das natürlich arg zum Ärger meiner motorisierten Kontrahenten. Und so wird mein Fehlverhalten prompt hupend kommentiert.
Endlich in ländlicheren Gefilden angekommen geht der Ärger weiter. Auch hier ein motorisierter Verkehr wie in der hamburgischen Rushhour. Die Radwege laden aufgrund von Überfüllung und wurzelbedingten Unebenheiten nicht zum Benutzen ein (ok, auch im Winter habe ich sie gähnend leer zugegebenermaßen lieber gemieden). Aber heute wird das Dilemma des sportiven Radfahrers offenkundig: Auf den Straßen behupt und beschimpft, auf dem Radweg behindert und ebenfalls beschimpft. Auch auf die Gefahr hin mein Leben in die Hände aggressiver Autofahrer zu legen, ziehe ich die Straße vor. Da komme ich wenigstens flink voran. Die Quittung kommt prompt. In Form einer Polizeistreife. Freundlich aber bestimmt werde ich auf den Radweg verbannt. Lange hält es mich dort nicht. Und so erlebe ich in schönstem Sonnenlicht eine stressreiche Fahrt, die mir höchste Konzentration ob des Gewusels auf sämtlichen Hamburger Verkehrsadern sowie eine hohe Toleranz ob der zahlreichen Interaktionen abverlangt. Meine stillen Flüche gegen meine Gegner behalte ich an dieser Stelle lieber für mich.
Bleibt für mich die Frage, warum der insbesondere dieser Tage durch Baumwall-Bottleneck und Elbtunnel-Brand arg verkehrsgebeutelte Hamburger eine solch hohe Affinität zur motorisierten Fortbewegung an den Tag legt. Besonders an einem zauberhaften Frühlingstag wie diesem. Ich werde es wohl nie verstehen. Intolerant? Sicher! Und so appelliere ich an die gegenseitige Akzeptanz frühlingshafter Fortbeweger jeglicher Couleur untereinander und gelobe Besserung!