Dass dieser IRONMAN hart werden würde, war uns klar. Nicht allerdings in dieser Konsequenz. Aber der Reihe nach:
Den Vorabend verbrachten wir sehr relaxt in unserem Zimmer, begleitet von phasenweise recht infantil-überdrehten Anwandlungen. Aber ich schaffte es tatsächlich Vanessa ein wenig von der – für sie vor solch Ereignissen typischen – übermächtigen Aufregung zu nehmen. Durch Tanzeinlagen erschöpft entschlummerten wir früh, das Wecken um 4:00 war also kein allzu großer Schock!
Schnell noch ein paar Toast verdrückt, dann ging es los in die nahe gelegene Wechselzone. Flink die Flaschen ans Rad und flugs wieder entschwunden, wollten wir uns doch beide nur möglichst kurz dem nervös-hektischen Treiben an diesem Platz aussetzen. So blieb uns bis zum Warmlaufen noch fast eine Stunde Zeit, die wir ganz entspannt auf unseren Betten herum lungerten. Auch ein Novum – ebenso wie das Anziehen des Neos im Hotelzimmer.
Beim Schwimmstart angekommen herrschte leichte Konfusität über die Platzierung der Startlinie. Man wuselte irritiert hin und her, dann plötzlich der Startschuss und alle liefen in Richtung der ersten Boje los. Die Strecke verlief anfangs fast parallel zum Strand, so dass einige doch mehrere 100m rannten anstatt zu schwimmen. Recht kurios. Das Schwimmen selbst war sehr ungewohnt. Erwartet kalt, extrem kräftezehrend aufgrund der Wellen, aber wiederum auch entspannt, da nur gut 1000 Athleten am Start waren und sich das Feld schnell weit auseinander zog. Vanessa entstieg nach ca. 57 ich nach 59:30 Minuten den Fluten. Es folgte ein 1000m-Lauf durch Tenby zur Wechselzone, das wärmte wenigstens ein bißchen.
In der Wechselzone tat Vanessa das im Nachhinein betrachtet einzig richtige: Arm- und Beinlinge, Trikot, Mütze. Ich dagegen zog es vor nur ein dünnes Langarmtrikot überzuziehen. Das Anlegen der vollen Montur dauerte bei Vanessa natürlich etwas, aber so kam es, dass wir fast zeitgleich auf die Radstrecke gingen. Und das war super und hat viel Spaß gemacht, sind wir doch bis km 170 immer wieder umeinander herum gefahren und konnten uns zwischendurch gegenseitig motivieren. Und das war mehr als nötig. Denn die Radstrecke entpuppte sich als eine enorme Herausforderung. Wir quälten uns über 2500 HM, gespickt mit über 16% Steigungen, geärgert durch extreme Windböen.
Ganz entgegen meiner sonstigen Erfahrungen in einem Ironman verspürte ich schon nach 50 km unerträglichen Hunger. Normalerweise komme ich immer mit meiner Eigenverpflegung gut über die Runden. Und ich hatte aufgrund der erwarteten Kälte gut kalkuliert. Nun nahm ich an den Verplegungsstationen zusätzlich Riegel und inhalierte diese regelrecht. Hatte aber trotzdem das Gefühl, dass nix ankam. Nach ca. 100 km kamen dann zwei Berge mit jeweils 16% Steigung, die ich mit meiner Übersetzung kaum rauf kam. Oben habe ich gezittert, so anstrengend waren diese Anstiege für meine Muskulatur. Ich wäre fast vom Rad gefallen. In der zweiten Runde mußte ich permanent an diese Anstiege denken und ich befürchtete sie nach der ganzen Schinderei bei km 170 nicht mehr bewältigen zu können. So begann neben Kopf- und Rückenschmerzen und dem Hunger auch eine mentale Krise. Der Spaß an diesem Rennen kam mir zunehmend abhanden.
Immer wieder habe ich mich auf den letzten 70 km dabei ertappt an Aufhören zu denken. Der Hunger und die Kopfschmerzen ließen nicht nach, meine Muskeln machten mehr und mehr zu. Zwischendurch kamen noch euphorische Phasen aber sie wurden weniger. Zum zweiten Mal bei der 16%-Steigung angekommen, beschloss ich den Berg hinauf zu schieben, um überhaupt noch die Chance zu haben den Marathon zu laufen. Ein komisches Gefühl, insbesondere, da am zweiten Anstieg ein Haufen Zuschauer applaudierte und mir Mut zusprach. Die Frage zweier Jungen, ob ich in meiner ersten Runde sei, demoralisierte mich zusätzlich. Die letzten Kilometer bis zur Wechselzone fuhren sich zäh. Vanessa war mittlerweile auch entschwunden und konnte mir keinen Mut zusprechen. Sie ist ihr Tempo konstant durchgefahren und hat mit einer für diesen Wettkampf äußerst soliden Radzeit von 6:38 die Wechselzone erreicht.
Nach 6:45 konnte auch ich endlich vom Rad steigen. Eigentlich hatte ich mich auf den Marathon gefreut aber Hunger, Kopf- und Rückenschmerzen überlagerten viel. Egal dachte ich, du mußt es wenigstens probieren. Und so lief ich los. Sofort bekam ich die Härte der Laufstrecke in voller Deutlichkeit zu spüren, ging es doch gleich nach der ersten Kurve konstant bergauf. Und dann realisierte ich: Weder mein Körper noch mein Kopf wollten dieses Rennen noch. Ich lief weiter und haderte mit mir. Wirklich aufgeben? Noch nie hatte ich in einem Wettkampf aufgegeben. Aber weitermachen ohne Spaß an dem was ich gerade tue? Nach ein paar Kilometern war mir klar: Einen Ironman zu finishen ohne Spass daran zu haben, macht für mich einfach keinen Sinn. Noch viel weniger, wenn ich dabei gegen die Signale meines Körpers ankämpfen muss.
So entschied ich mich, das Rennen abzubrechen. Und es war und ist ein gutes Gefühl. Ich bin glücklich und stolz mich so entschieden zu haben, denn auch das ist etwas, was man in seinem Sportlerleben wohl mal durchlaufen muß. Ich bin froh auf meinen Körper und meinen Geist gehört zu haben und mich nicht auf einen Kampf, den ich nur verloren hätte, eingelassen habe.
Es war wohl eine Kombination aus Hungerast, Kälte und falscher Übersetzung, die mich dieses Finish und vielleicht die Quali für Hawaii gekostet haben. Aber nun freue ich mich auf neue Herausforderungen!!!
Nach gefühlt zweistündiger Nahrungsaufnahme bin ich dann an die Laufstrecke gegangen, um Vanessa noch ein wenig anzufeuern. Und die ist mit einer 3:45 einen tollen Marathon mit nochmals 400 HM gelaufen. Heute sind wir noch Teile der Strecke abspaziert und ich habe einen Riesen-Respekt vor allen, die diesen Wettkampf gefinisht haben. Ich weiß nicht, was sich der Veranstalter bei diesem Kurs zu dieser Jahreszeit gedacht hat, aber es ging hier wirklich ums Überleben!
Vanessa, in diesem Sinne noch einmal einen Riesen-Glückwunsch zu deiner genialen Leistung. Ich bin stolz auf dich und deinen 16. Rang in der Gesamtwertung! Schade, dass es mit der Quali nicht geklappt hat – du hättest es wirklich verdient!