RTF respektive Radtourenfahrten sind eine feine Sache. Ab neun Uhr sammeln sich Wochenends am kommunizierten Fixpunkt Radfahrer verschiedener Facetten für das Abfahren markierter Strecken variabler Längen. Flankiert werden die Routen durch Verpflegungsstellen, meist liebevoll ausgestattet von lokalen Radsportvereinen. Der bewegungswütige Radfahrer kann sich in diesem Szenario also voll und ganz auf das Pedalieren fokussieren. Energetische Investitionen in Nahrungsbeschaffungsmaßnahmen oder lästiger: Streckenfindung, können unterlassen werden.
Und so findet man bei diesen Events ein buntes Fahrerfeld. Da gibt es den entspannten Freizeitradler, der eine kleine Runde unter Gleichgesinnten drehen will; zusätzlich motiviert durch die Vorfreude auf Plausch und Lachsschnittchen an den Verpflegungsstellen. Dann das andere Extrem: Testosteronmonster, die selbst in diesem Format ein Rennen wittern, und pünktlich um neun Uhr hufescharrend an der Startlinie stehen. Sie brennen geradezu darauf den anderen Mitstreitern die eigene natürlich gedacht bombastische Form zu präsentieren. Und dazwischen? Nichts, was es nicht gibt.
So auch wir, Triathletinnen in bestem Alter mit modernstem High-Tech-Equipment ausgestattet, Stylerinnen, over-dressed? Das Verhalten zumindest könnte verhaltensauffällig anmuten. So passiert bei Dauerregen. Singend versuchen wir beständig den Regen zu vertreiben. Vom Kälte- und Regentraining des Vortages noch ausgelaugt benehmen wir uns an den Verpflegungsstellen wie ausgehungerte, im Wachstum befindliche Teenager und plündern hektisch, unersättlich, das Buffett. Bie diesem Tun skeptisch beäugt von anderen Pausierenden. Da tun die aus Faulheit nicht umgebauten auffälligen Aerolaufräder an unseren Zeitfahrmaschinen ihr übriges.
Gestärkt geht es weiter im Programm. Allerdings nicht mehr allein, denn die Verhaltensauffälligkeit scheint zu magnetisieren. Weniger gravierende Auswirkung auf unsere Fahrt haben die Pedaleure, die zwar mit uns aufs Rad springen aber dann flugs von dannen düsen. Schnell entschwunden müssen wir uns lediglich an der nächsten Verpflegung weiteren Blicken aussetzen und der Aussage konfrontiert hören, wo wir denn so lange geblieben wären. Man hätte sich schon Sorgen gemacht. Alles halb so wild. Anstrengender allerdings präsentiert sich dagegen die rennwütige Spezies, die in uns eine Konkurrenz wittert. Beizeiten lustig, beizeiten auch gefährlich.
Im Aerolenker Windschatten fahren macht wenig Spaß und so präferieren wir es normalerweise fern von Gruppen entspannt plaudernd nebeneinander her zu rollen. An der Verpflegungsstelle Begleiter aufgesackt, bringen die durch ihr Balz- und Renngehabe unseren Rhythmus flink durcheinander. Auf Tourenrädern, mit Turnschuhen und Picknickkörben rein ins Rennen mit uns Mädels, High-Tech bestückt. Wirkt unsere Performance so lausig? Der Anblick unserer Hinterteile scheint sie zumindest nicht zu entzücken und so finden wir sie plötzlich vor uns. Stoische Wattfahrer wie wir werden dann bei Attacken an Hügeln einfach abgehängt, kaum wieder flach oder abschüssig schließen wir jedoch bremsend auf. Ein Überholmanöver unsererseits wird prompt durch selbiges quittiert. Und so wird das Schnaufen der Begleiter immer lauter, das Fahren immer unruhiger, unsere Nerven immer angespannter. Vorbei ist es mit der Ruhe. Da hilft nur eine flugs eingeläutete Pinkelpause um dieses Treiben zu beenden.
Wieder auf dem Rad nähern wir uns stetig erneut den blauen Trikots unserer ursprünglichen Begleiter. Diesmal machen wir es anders, schwören wir uns. Beschleunigen, vorbei und weg. Auch wenn uns das kurzzeitig aus der Komfortzone bringt. Aber heute spielt uns das Glück in die Karten. Kurz vor unserer Attacke steigt die blaue Gefahr für eine Verschnaufpause vom Rad. Und weg sind wir.
Das nächste Zusammentreffen mit anderen Gruppen lässt allerdings nicht lange auf sich warten. Die Angst im Nacken von uns Mädels überholt zu werden, erhöht die Risikobereitschaft. Unsere Vorhut landet im Laktatnebel auf einer Abfahrt tatsächlich im Graben, wir fast hinterher. Bloß weg hier, denken wir und schwören uns, nächstes Mal weniger verhaltensauffällig unterwegs zu sein und die Aerolaufräder doch besser zu Hause zu lassen.